Wie können wir Gemeinschaft gestalten? Wie den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und für gute Lebensverhältnisse in unseren Dörfern und Städtchen sorgen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung des Diakonieausschusses des Evangelischen Dekanats Büdinger Land. Etwa 30 Frauen und Männer aus Kirchengemeinden von Ulrichstein bis Langen-Bergheim hatten sich unter der Überschrift „Kirche und Diakonie im Sozialraum“ zum Austausch im Bürgerhaus Wallernhausen getroffen. Rita Stoll von der Fachstelle für Bildung und Gesellschaftliche Verantwortung des Dekanats, die das Treffen vorbereitet hatte, formulierte ein zu erstrebendes Ideal: „Kirche für und mit anderen sein“.
Mit einer Andacht führte Dekanin Birgit Hamrich zum Thema hin und ermutigte ihre Zuhörerinnen und Zuhörer, aufmerksam und sensibel unterwegs zu sein: „Suchen sie den Blick der anderen.“
Kirche ist Teil der Gesellschaft. An keinem Ort im Dekanat kann man das wohl besser nachvollziehen als in Wallernhausen. Der circa 1100 Einwohner zählende Stadtteil von Nidda hat einen Dreh- und Angelpunkt des dörflichen Lebens, der kirchlichen Ursprungs ist: Das Familienzentrum Dorftreff Neue Mitte bietet eine Infrastruktur, die in den kleinen Ortschaften der Region ihresgleichen sucht. Das Kooperationsprojekt von Kirchengemeinde, Regionaler Diakonie Wetterau und Kindertagesstätte „Die kleinen Strolche“ hat alles, was es für ein gutes Miteinander braucht, und zwar generationenübergreifend: vom Laden mit Bistro über die Kinderbetreuung bis zum Gemeinschaftsraum, den alle nutzen können, sei es für die Vereinsversammlung, die Sitzung des Kirchenvorstands oder für Opas Geburtstagsfeier. Grundversorgung für Leib und Seele.
Pfarrerin Beate Henke, die vor 20 Jahren mit der Anmietung einer Scheune für die Kirchengemeinde den Grundstein für das Projekt legte, betont, wie wichtig es ist, Räume für Begegnungen zu schaffen und dabei „nicht nur auf die Christen“ zu schauen. „Wir haben in Wallernhausen einen Ort, wo jeder zu jeder Zeit sein kann“, so Henke. Dafür brauche es „einladende, hinschauende Menschen, die dienend unterwegs“ sind und „die nicht sagen, wie Leben gelingen kann, sondern fragen: Was brauchst du?“ Es gehe um die Relevanz von Kirche: Wenn Kirche die Bedürfnisse der Menschen vor Ort kenne, dann könne sie auch bedeutsam sein. „Machen wir den Leuten nicht die Schwellen niedrig“, so Henke, „sondern rennen wir ihnen die Türen ein. Ich bin davon überzeugt, dass wir etwas zu geben haben, wenn wir nicht in unserer Blase bleiben.“
Wie lohnend es sein kann, aus der „Blase“ herauszutreten und andere anzusprechen, konnte auch Erika Koch aus Eschenrod, Vorsitzender der Diakonieausschuss-Gruppe Nord-West, mit einem Beispiel berichten. Im Vorfeld des Weltgebetstages am 1. März hatte sie die örtlichen Landfrauen angesprochen und sie zur Beteiligung eingeladen. „Was soll ich sagen, es hat funktioniert. Wir hatten einen schönen Abend, eine gute Gemeinschaft und haben sogar junge Menschen ins Boot geholt.“
„Viele Ideen in der Pipeline“ habe der Kirchenvorstand Echzell, berichtete dessen Mitglied Christiane Wettig. In der Region West des Dekanats arbeiten fünf Kirchengemeinden, darunter die Echzeller, zusammen. Das entlaste einerseits, so Wettig, andererseits entfalte sich kreatives Potenzial. Neben gemeinsamen Kinder-Gottesdiensten und gemeinsamer Konfi-Arbeit gibt es Angebote, die auf den ersten Blick nichts oder nur wenig mit Kirche zu tun haben, beispielsweise einen Männertreff und die „Montagsmeditation“, die aber gerade deshalb eine Verbindung zum Dorfleben und zum Sozialraum schaffen.
Wie also geht man es an? Wie gewinnt man Mitstreiter? Und wie kann es gelingen, das gute Miteinander? Beate Henkes Rat: Loslegen! Auf andere zugehen. Räume öffnen. Netze knüpfen. Impulse geben, die die Welt ein klein wenig besser machen. Dabei erfahre man auch Selbstwirksamkeit: Es ist nicht egal, was ich tue.
Fachliches Knowhow steuerten Martina Clotz und Mira Weiß von der Regionalen Diakonie Wetterau bei. Martina Clotz ist Koordinatorin des Dorftreffs in Wallernhausen, Mira Weiß ist zuständig für die sozialräumliche Arbeit in der Wetterau. (jub)
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Diakonie: Die Diakonie ist der soziale Dienst der evangelischen Kirche. Der Diakonieausschuss ist der größte Ausschuss des Evangelischen Dekanats Büdinger Land. Ihm gehören 55 Beauftragte, überwiegend Frauen, aus den Kirchengemeinden an. Wegen seiner Größe ist der Ausschuss aufgeteilt in die beiden Regionalgruppen Nord-West und Süd-Ost, die einmal jährlich gemeinsam tagen. Der Diakonieausschuss stellt die Verbindung der Kirchengemeinden zur Regionalen Diakonie Wetterau her, indem er über Angebote informiert, Anregungen gibt und Anregungen aus den Kirchengemeinden aufgreift. Die Mitglieder verstehen sich als Multiplikatoren.