Zum 1. Januar rücken die 76 Kirchengemeinden des Evangelischen Dekanates Büdinger Land in sieben Nachbarschaftsräumen näher zusammen. Den entsprechenden Beschluss hat die Dekanatssynode am vergangenen Samstag auf ihrer Herbsttagung in Nidda gefasst. Sie schreibt damit den Reformprozess „ekhn2030“ fort, mit dem die Kirche sinkenden Mitgliederzahlen, sinkenden Einnahmen und Pfarrermangel begegnen will. Vernetzen sei „lebenswichtig“, hatte Dekanin Birgit Hamrich zuvor gesagt und die Synodalen aufgefordert: „Lassen Sie uns den Blick auf das Gelingende lenken. Es ist da.“
Kirche ändere sich irreversibel, sagte Dekanin Birgit Hamrich im Bürgerhaus Nidda. Was bleibe, sei die Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität. Zentrale Aufgabe sei es deshalb, „verbindlich und verlässlich das Evangelium zu verkünden. In Wort und Tat“, so die Dekanin wörtlich. Künftig geschieht das in Nachbarschaftsräumen, einem Zusammenschluss jeweils mehrerer Kirchengemeinden, die von Verkündigungsteams betreut werden. Das werden Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen sowie Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker sein. Einige Gemeinden hätten sich leicht zusammengefunden und berieten mit dem Gebäudeentwicklungsplan bereits den nächsten Schritt, andere seien noch in der Kennenlernphase. Die zentrale Frage laute: „Wie wird die Botschaft Christi zeitgemäß verkündigt und gelebt, wo ist die Liebe und Zuwendung Gottes sichtbar und spürbar? Das“, so Hamrich weiter, „soll der rote Faden in allen Überlegungen sein.“
Den Reformprozess „ekhn2030“ hatte zuvor auch der Niddaer Pfarrer Alexander Starck im Gottesdienst in der Stadtkirche zum Auftakt der Synode zum Thema seiner Predigt gemacht. Er erinnerte daran, dass Jesus die Jünger, jeweils zwei zusammen, ausgesandt hatte, hin zu den Menschen, und sie aufforderte, nichts mitzunehmen außer dem Wanderstab. Leichtes Gepäck, so Starck, könne dabei helfen, beweglicher zu werden und neue Möglichkeiten aufzutun. „Was helfen uns unsere Gebäude, wenn wir sie nicht mehr richtig mit Leben gefüllt bekommen?“, fragte er. „Teamwork“ sei schon in der Bibel gefragt gewesen, sagte. In einem funktionierenden Team könne man sich gegenseitig unterstützen und bereichern. Davon habe auch die Gemeinde etwas, gab Starck sich zuversichtlich.
Neben vielen „ermutigenden Ereignissen“ wie Dekanatsfrauentag, Kirchenjubiläen oder Konfi-Party sparte Dekanin Hamrich in ihrem Bericht auch das nicht aus, was den Verantwortlichen im Dekanat Sorgen bereitet: Ehrenamtliche legten ihr Amt nieder, Hauptamtliche beantragten die frühzeitige Versetzung in den Ruhestand. „Das alles sind Zeichen für Überlastung, Unsicherheit und Frust auf zu vielen Ebenen. Die Stimmung in der Gesellschaft macht vor der Kirchentür nicht halt“, stellte sie fest. Die Folgen seien nicht zu übersehen. Innerhalb eines Jahres, vom 30. Juni 2022 bis zum 30. Juni 2023, habe das Dekanat 1389 Mitglieder verloren, „eine ganze Kirchengemeinde“, so Hamrich.
Erfreulich dagegen: Drei junge Pfarrer haben Gemeinden übernommen - Alexander Starck in Geiß Nidda/Bad Salzhausen und Nidda, David Jumel in Echzell/Bisses und Leroy Pfannkuchen in Dauernheim/Blofeld/Ranstadt – und damit lange Vakanzen beendet. Dem gegenüber stehen zahlreiche Vakanzen im Dekanat, die von Kolleginnen und Kollegen vertreten werden. Dafür dankte ihnen die Dekanin ausdrücklich.
Ein von Präses Rolf Hartmann besonders herzlich – und mit Blumen - begrüßter Gast der Synode war Dr. Anke Spory, seit 1. September Pröpstin der Propstei Oberhessen. Auch sie griff in ihrem Grußwort das Thema Nachbarschaft auf. Jeder kenne das aus eigenem Erleben, „Nachbarschaft ist unterschiedlich“, sagte Spory. Sie bedeute Nähe und Distanz. „Man kriegt alles von den Nachbarn mit, jeden Streit, jede Feier. Man erfährt aber auch Solidarität und Unterstützung.“ Die Herausforderung bestehe darin, beides miteinander zu verbinden. Die Öffnung der Kirchengemeinden hin zum Nachbarschaftsraum sieht sie verankert im Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Henrike Strauch, Bürgermeisterin der Gemeinde Glauburg, sprach ein Grußwort für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Dekanat. Sie dankte vor allem den vielen ehrenamtlich engagierten Menschen in der Kirche, „die Gesellschaft braucht das“.
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„ekhn2030": Mit der Bildung der Nachbarschaftsräume ist der Transformationsprozess „ekhn2030“ nicht abgeschlossen. Wichtige weitere Schritte sind – wo noch nicht geschehen - die Einrichtung von gemeinsamen Gemeindebüros und die Erstellung eines Konzeptes für die gemeinsame Nutzung eines reduzierten Gebäudebestands. Das Dekanat und die Landeskirche bieten vielfältige Unterstützung an. So arbeitet das Dekanat eng mit Susanne Kuzinski vom EKHN-Regionalbüro Vernetzte Beratung zusammen, die bei Fragen rund um die Bildung und Ausgestaltung von Nachbarschaftsräumen ansprechbar ist. Am Mittwoch, 15. November, findet um 19 Uhr im Bürgerhaus Nidda eine Informationsveranstaltung für Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher über Rechtsformen in den Nachbarschaftsräumen statt: „Gemeindezusammenschluss, Gesamtkirchengemeinde oder Arbeitsgemeinschaft – Welche Rechtsform passt für unsere Zusammenarbeit im Nachbarschaftsraum?“